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archivierte Ausgabe 21/2023
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Wahre Kunst |
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Reiner Schlotthauer |
Manchmal kommen sie sich wohl wie im Theater vor, die der Kirche wohlgeneigten Zuschauer. Was läuft da, was wird inszeniert? Ganz zu schweigen von den Skandalen, die wie im Überdruss heruntergebetet werden. Haben sie schon die Litanei ersetzt? Und in welchem Film er sich befindet, fragt sich schließlich, wer die Kämpfe der Katholiken untereinander verfolgt: Wenn Einzelne oder Gruppen sich gegenseitig die Butter auf dem Brot nicht mehr gönnen. Liegen die Nerven blank, weil die alten Sicherheiten verloren gehen, die sowohl finanziellen wie leider auch inhaltlichen Deckungslücken immer größer werden?
Und noch mehr: In welchem Drama befinden wir uns, wenn Christen sich gegenseitig den Glauben absprechen, bloß weil sie unterschiedliche Vorstellungen von der Entwicklung der Kirche samt deren Geschwindigeit haben? Das Drehbuch verrät das Seelenleben von manch aggressiv gewordenem Rollenspieler: Die Wahrheit steckt tief drinnen, nämlich in der untrügerischen, aber verdrängten Wahrnehmung, dass er oder sie vielleicht ja selbst bei der Weitergabe des Glaubens versagt hat – obwohl man doch den Anspruch hatte, fester und richtiger zu glauben als alle anderen. Welch eine Tagödie.
Welches Spiel wird also gespielt, ist es ein Drama? Sollen bloß die Kulissen der Kirche stehenbleiben? Ohne dass das, was wirklich dahintersteckt, noch zählte? Vor allem die Menschen, die nach der Aufführung – man darf es ruhig heiliges Spiel nennen – nach Hause gehen. Was bleibt für ihr Leben übrig? Wahre Kunst hat doch auch den Anspruch, das Leben zu verändern. Noch viel mehr aber die Liturgie, die Verkündigung und die Sakramente. Nicht zu vergessen die Diakonie. Sofern das katholische Ensemble das alte Stück in die Gegenwart übersetzen kann. Manche behaupten, das Volkstheater überlebe die Volkskirche.
Gibt es aber doch ein Stück, das gleichermaßen in der Tradition steht und die Leute heute begeistert? Noch hört man leider zu oft anderes, fühlt man sich an Szenen der griechischen Mytholgie erinnert. War es die Odyssee? Etwa wenn das ewige Klagen und Lamentieren derer, die berechtigterweise Reformen wünschen, die wenigstens kleinen Fortschritte zusehends übertönt. Und fast alles – bis in die wehleidige Wortwahl und den trübseligen Tonfall hinein – verführerischen Sirenenklängen gleicht. Von denen sich erstaunlich viele angezogen fühlen. Obwohl auf der noch langen Kirchenreise in rauher See faszinierende Abenteuer warten. [...]
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