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archivierte Ausgabe 20/2023
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Titelthema |
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Wie kriegen sie das hin? |
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Als Alleinerziehende weiß Birgit Hannemann, wie wichtig es ist, ein gutes Netzwerk aus Familie und Freunden zu haben. Darauf greift sie immer wieder zurück. Ihr Ex-Mann und sie wechseln sich unter der Woche und am Wochenende mit den Kindern ab: Dienstags und mittwochs sind ihr achtjähriger Sohn und die fünfjährigen Zwillinge bei ihr, montags und donnerstags bei ihrem Vater. Auch die Wochenenden teilen sie sich. »Alleinerziehend und berufstätig zu sein, ist eine Herausforderung«, so die 43-Jährige: »Irgendwann habe ich mich von dem Gedanken verabschiedet, allen gerecht werden zu können.« Foto: I. Rudel |
Für viele Menschen ist der Alltag eine echte Herausforderung. Selbst wenn alles rund läuft, ringen sie täglich darum, die unzähligen Anforderungen und Aufgaben unter einen Hut zu bringen: den anderen und – meist an letzter Stelle – sich selbst einigermaßen gerecht zu werden. Oft genug kommen sie mit diesem Bemühen an ihre Grenzen und gehen sogar schmerzhaft darüber hinaus. Und was ist mit denen, bei denen der Alltag zusätzlich erschwert ist? Weil sie gesundheitliche oder finanzielle Probleme haben. Weil Beziehungen gescheitert sind, Unterhaltszahlungen und Unterstützung fehlen. Wie kriegen sie es hin, ihr Leben zu meistern, ohne dabei komplett auf der Strecke zu bleiben?
Wie kriegt sie das hin? Die 40-jährige Alleinerziehende mit ihren drei Kindern, die an Multipler Sklerose leidet, auf den Rollstuhl angewiesen ist und keinerlei Unterhalt bekommt? Oder die Mutter von drei Söhnen, deren Jugend von Missbrauch und Gewalt geprägt war, die sich in den Alkohol flüchtete und weiß, dass sie sterben wird, wenn sie die Sucht nicht überwindet? Wie kriegen sie das hin: Die Eheleute aus Stuttgart, die als Pflegeeltern seit 20 Jahren Kinder mit schwersten Behinderungen umsorgen?
Es gibt Schicksale und Lebenssituationen, die kaum vorstellbar sind. Woher nehmen Menschen die Kraft und den Mut, sich einem solchen Leben zu stellen? »Der Gedanke, dass es einen Gott gibt, der sich um uns sorgt, hat etwas Tröstliches«, sagt Anika Köstler aus dem Ostalbkreis. »Gott gibt uns die Kraft, die Aufgaben zu bewältigen, die er uns stellt«, ist Birgit Hannemann aus dem Landkreis Ludwigsburg überzeugt. »Uns um unsere Kinder zu kümmern und die Liebe zu spüren, die sie uns zurückgeben, gibt uns einen tiefen Frieden«, betonen Ursula und Gerhard Schindler aus Stuttgart-Möhringen.
»Wenn die Seele intakt ist, können wir viel bewältigen«, weiß Eleonore Busse. Seit Jahren pflegt sie ihren 91-jährigen Ehemann: »Er sieht gar nicht, was ich alles schaffe. Dadurch erlebe ich schon hin und wieder seelische Rückschläge«, gesteht sie. Weil der ambulante Pflegedienst viel Unruhe ins Haus bringt, nimmt sie ihn nur einmal am Tag in Anspruch und versucht, alles andere selbst hinzukriegen.
Jetzt steht für ihren Mann, der das Bett nicht verlassen kann, ein Krankenhausaufenthalt an und nach mehreren Vorbesprechungen liegen Eleonore Busses Nerven blank. Verspätete Krankentransporte, endloses Warten in der Klinik, kurzfristig abgesagte Termine. »Was ich alles organisiere, kann ich gar nicht aufzählen«, bemerkt sie. Dabei hat auch sie Rückenprobleme und leidet unter Blutdruckschwankungen und Schwindel. »Ich hadere nicht mit der Pflege meines Mannes«, betont sie, »aber manchmal falle ich schon in ein Loch.«
46 Jahre sind Eleonore und Herbert Busse aus Stuttgart-Stammheim verheiratet – »früher hatte mein Mann das Sagen, heute bin ich dominanter als er«, erzählt sie, »das akzeptiert er nicht so gerne. Es ist nicht leicht, zuzusehen, wie ein Mensch immer weniger wird«, fährt sie fort. Auch geistig habe ihr Mann gelitten. »Ich stelle mich auf alles ein«, sagt Eleonore Busse, und lässt sich trotz allem nicht unterkriegen. [...]
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