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Ausgabe 22/2020
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| Kraft der Tränen (5): »Es ist ein Weinen in der Welt« |
Trauer gehört zum Leben |
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Trösten und getröstet werden: Trauernden sollte man nicht aus dem Weg gehen, sondern ihren Schmerz mit aushalten.
Foto: Jacob Lund/Adobe Stock |
Sie hatte vor rund einem Jahr ihren einzigen Sohn durch einen Verkehrsunfall verloren. Als ich sie besuchte, erzählte sie mir, eine Freundin sei kürzlich bei ihr gewesen und habe beim Kaffeetrinken gesagt: »Sag mal, kannst du dieses Bild nicht endlich woanders hinhängen?« Dabei hatte die Freundin auf ein Foto des verstorbenen Sohnes gezeigt, das an der Wand hing! Ich war fassungslos über so viel Gefühllosigkeit. Ebenso erschreckend war, dass diese Freundin sich offensichtlich durch die Erinnerung an den tragischen Verlust gestört gefühlt hatte.
Was hier deutlich wird, kennen viele Trauernde nur allzu gut: Menschen können mit Trauer schlecht umgehen. Dies führt leider dazu, dass Trauernde zum Schmerz ihres Verlustes oft auch noch den Schmerz der Einsamkeit oder der Ausgrenzung ertragen müssen. »Sie haben gewartet, bis ich aus der Kirche draußen war, erst dann gingen sie auch raus«, berichtete mir eine Dorfbewohnerin, deren Tochter auf tragische Weise ums Leben gekommen war. Warum aber weichen die Menschen vor Trauernden zurück? Vor allem aus zwei Gründen: zum einen, weil Trauernde sie daran erinnern, dass ihnen jederzeit das Gleiche widerfahren kann – einen Menschen zu verlieren, den sie lieben. Zum anderen, weil die meisten nicht wissen, wie sie Trauernden begegnen können. Diese Hilflosigkeit ist verständlich – doch niemand sollte dabei stehen bleiben. [...]
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