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archivierte
Ausgabe 30/2020
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Muschel und Stein |
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| Reiner Schlotthauer |
Eigentlich ist der Mensch gar nicht so dumm, zumindest hätte er Potenzial fürs Gegenteil. Und zwar so sehr, dass er sich auf kleinstem Raum, im Kopf, einen Zugang zu ganz neuen Welten erschließen kann: zu mehr Tiefgang und Sinn. So hochtrabend aber, wie das vielleicht für die klingt, die nur dann etwas spüren, wenn sie Spektakuläres erleben, ist es nicht einmal – vielmehr ganz einfach, wohnt es doch dem Menschen, aber nur ihm, schon immer als Fähigkeit inne.
Etwa wenn er aus dem Urlaub eine Muschel vom Meer oder einen Stein vom Berg mitbringt, sie ins Regal legt. Tut dies der Reisende nur, weil ihm die chemische Zusammensetzung der ehemaligen Fundund jetzigen Ausstellungsstücke interessiert? Schon eher sind es die Erinnerungen, die sich um sie ranken, die Bilder, die ins Jetzt mitgenommen werden, vielleicht auch Gefühle und Begegnungen, die einen in diesem Moment, da die Gedanken wieder vom Alltag eingeholt werden, berühren. Und es warm ums Herz wird: »Ja, da ist mehr. Da bleibt etwas. Ewiges?«
Und der ein oder andere beginnt zu spüren, dass die angeblich nur einseitige, eindimensionale Wirklichkeit dieser Gegenstände noch viele andere Seiten und Dimensionen haben kann. Und dass vielleicht der Stein, der sich nun kühl anfühlt, und die Muschel bloß als Form, noch etwas ganz anderes, Zweites auf Lager haben. [...]
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