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Ausgabe 35/2014
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Noch nicht zu Ende erzählt |
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| Reiner Schlotthauer |
In dieser Welt gibt es so viel Informationen, dass man glaubt, darin unterzugehen. Und seit jeher gibt es so viel Wörter und Bilder, Dokumente und Verträge, Gesetze und heilige Schriften, dass der Mensch zum Ergebnis kommen müsste, eigentlich sei schon alles gesagt, Punkt. Und doch kommt jeder für sich, sogar die Menschheit genau an jenen anderen Punkt, welch Überraschung, wo sie alle merken, dass noch lange nicht alles zu Ende erzählt und erklärt worden ist.
Spätestens dann, wenn der so Überraschte sein Handy beiseitelegt und die rote Taste der Fernbedienung drückt, um sich zur Abwechslung sein Gegenüber genau anzusehen: Denn es ist wieder die Zeit, in der es neue Menschen kennenzulernen gibt, solche, die ganz anders scheinen. An den Genen kann es keineswegs liegen, nicht einmal am Aussehen, der Ausdrucksweise in Sprache und Religion – viel eher an den sehr unterschiedlichen Erfahrungen. Gemeint sind an dieser Stelle die Flüchtlinge. Unter den über die Welt verstreuten Kindern, Frauen und Männer sollen aus aktuellem Anlass besonders jene aus dem Irak erwähnt sein, Jesiden und Christen.
Und was sie nicht alles berichten können, nein, leider müssen: Massaker an Menschen allein wegen ihrer anderen Konfession, Enthauptungen und Kreuzungen, Zurschaustellungen von Leichen, die Entführung von Mädchen und Frauen, die Zerstörung von Gräbern, Kultstätten und Gotteshäusern. Und es gäbe noch von weiteren verstörenden Erlebnissen zu berichten, noch und noch, bis zur Ankunft in Deutschland. Ihre Erzählungen sind lange nicht zu Ende. Der Zuhörer ertappt sich, wie er selbst zusammenzuckt und Angst bekommt, vielleicht auch Mitgefühl und sich schließlich derart aufgeweckt in sein Gegenüber hineinzuversetzen beginnt. [...]
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